Analyse
Das Trittbrettfahrerproblem im Kontext der Klimakrise
Das Pariser Klimaabkommen ist nicht ausreichend (siehe „Status Quo“), um die globale Erwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Würden alle Länder ihre selbstgesetzten Ziele (NDCs) umsetzen, würde die globale Erwärmung schon am Ende dieses Jahrhunderts etwa 2,4°C erreichen. Aktuell werden aber nicht einmal diese Ziele erreicht, sodass durchaus auch 4°C überstiegen werden könnten¹.
Grundlegendes Problem
Die Atmosphäre als Halde für Emissionen ist für alle offen zugänglich – sie ist ein globales Gemeingut, das aber nicht unbegrenzt als Lager für Treibhausgase genutzt werden kann. Es besteht das Grundproblem der Tragedy of the Commons (Tragödie des Gemeinguts).
Jedes Land trägt die vollen Kosten für seine Emissionsreduzierungen, während es aber nur einen geringen Teil des Nutzens trägt, da die Schäden und Auswirkungen der Erwärmung global verteilt sind. Hätte jedes Land eine eigene Atmosphäre, gäbe es das Problem nicht.
Nationale und europäische Klimapolitik ist wichtig. Solange es aber keine globale Klimapolitik gibt, wird das grundlegende Problem nicht gelöst werden.
Wieso die Kooperation in der Klimakrise bis jetzt scheitert, lässt sich an dem „Klimaspiel“, einem Gedankenexperiment aus der Kooperationsforschung, zeigen.
Das Klimaspiel
Man stelle sich 10 Länder vor, die jeweils 10€ zur Verfügung haben.
- Jedes Land kann von den 10€ so viel in den gemeinsamen Klimatopf geben, wie es möchte.
- Das Geld im Klimatopf wird verdoppelt und gleichmäßig auf alle aufgeteilt (Kooperation).
- Geld, das nicht in den Topf gegeben wird, behalten die Länder für sich.
Im Idealfall würden alle 10€ investieren, sodass am Ende alle Länder 20€ erhalten (10 x 10€ = 100€ 100€ x 2 = 200€ 200€/10 = 20€). Jedes Land würde demnach von dieser Kooperation profitieren.
Wenn alle anderen Länder 10€ in den Klimatopf geben würden und ein Land nichts, dann würde dieses Land am Ende mit 28€ dastehen. (90€ der anderen Länder wurden verdoppelt, die 180€ wurden auf 10 Länder aufgeteilt und das „egoistische“ Land hat zusätzlich noch seine 10€ übrig)
Das einzelne Land erhält immer nur 20% des selbst investierten Geldes zurück (also von 1€, der verdoppelt wird und auf 10 Länder aufgeteilt wird, bekommt das Land nur 20 Cent zurück). Es ist also profitabel, das Geld zu behalten, und zu hoffen, dass die anderen Länder den Klimatopf füllen. Dieses Land würde „trittbrettfahren“ und die anderen Länder ausnutzen. Wenn alle Länder so agieren, kommt es nicht zur Kooperation. Keines wird Geld investieren und statt der 20€ bei voller Kooperation behalten alle lediglich ihre 10€. Das Trittbrettfahrerproblem verhindert also Kooperation.
Diese Darstellung ist stark vereinfacht und die Klimakrise ist deutlich komplexer. Das Trittbrettfahrerproblem ist jedoch allgegenwärtig: Für ein egoistisch handelndes Land besteht wenig Anreiz, Klimaschutz zu betreiben. Das Pariser Abkommen umfasst keinen Mechanismus, dieses Kooperationsproblem zu lösen. Zwar wurde ein gemeinsames Ziel festgeschrieben, jedoch bleibt es weiterhin jedem Land selbst überlassen, wie viel es zur Erreichung des 1.5°C-Ziels leisten möchte.
Es wird deutlich, dass die Klimakrise als Tragödie des Gemeinguts globale Kooperation benötigt.
Wie kann das Trittbrettfahrerproblem nun gelöst werden?
Lösung
Um das Trittbrettfahrerproblem zu lösen, muss es einen Mechanismus geben, der Kooperation sicherstellt. Kooperation benötigt vor allem zwei Dinge: Reziprozität und Vertrauen.
Reziprozität bedeutet so viel wie „I will if you will“ oder „Wir machen es, wenn ihr es auch macht“. Das Klimaspiel kann über einen reziproken Mechanismus so geändert werden, dass Kooperation für alle Seiten erstrebenswert ist.
- Alle Länder schlagen einen gemeinsamen Investitionsbetrag vor.
- Es muss nun von allen Ländern nur der geringste vorgeschlagene Betrag in den Klimatopf gegeben werden.
Die Frage, die sich alle nun stellen, lautet nämlich: Wie viel möchte ich geben, wenn ich weiß, dass alle anderen auch so viel geben werden? In dem Fall sollten alle Länder zu dem Schluss kommen, 10 € als Investitionsbetrag vorzuschlagen. Wenn nun ein Land nach unten abweicht, so kann es nicht trittbrettfahren und die anderen ausnutzen, weil alle anderen automatisch auch weniger investieren würden.
Lass uns diese Erkenntnis auf die reale Welt übertragen:
Ein solcher reziproker Mechanismus kann dafür sorgen, dass Länder endlich anfangen, die Klimakrise gemeinsam zu lösen. Sinnvoll ist dafür die Einführung eines globalen CO2-Preises.
- Es wird ein globaler Mindestpreis verhandelt, den alle Länder bei sich einführen – wie, das bleibt ihnen selbst überlassen.
- Die Höhe ist abhängig von dem geringsten gebotenen Preis, so wird trittbrettfahren unter den teilnehmenden Ländern verhindert.
In solchen Verhandlungen stellen sich alle Länder die Frage: Wie hoch wäre aus meiner Sicht der ideale CO2-Preis, wenn alle anderen ebenfalls diesen Preis einführen?
Dies fördert die Einigung auf einen CO2-Preis, der hoch genug ist, um die globalen CO2-Emissionen wirksam zu senken. Damit es zu keinem Wettbewerbsnachteil für die teilnehmenden Länder oder zu Emissionsverlagerungen (Carbon Leakage) kommt, könnten den Ländern, die keinen CO2-Preis einführen möchten, Klimazölle auferlegt werden.
Wie könnte ein geeigneter Rahmen für solche Verhandlungen aussehen? Wie kann ein Mechanismus für Klimagerechtigkeit in die Kooperation integriert werden? Das erfährst du auf der Seite “Konzept“.
Quelle:
- https://climateactiontracker.org/global/cat-thermometer/